Donnerstag, 1. Juni 2017

"Der Klang der Stille" -oder Aufruhr um ein Vorwort des Papa emeritus zum "Buch der Stille" von Kardinal Sarah

A. Gagliarducci  kommentiert bei "Monday in The Vatican" die auffällig aufgeregten Kommentare zum Vorwort des Papa emeritus für Kardinal Sarahs Buch "Die Macht der Stille".
Hier geht´s zum Original:   klicken 

                                "Papst Franziskus: Der Klang der Stille"

Die Veröffentlichung des Vorworts Benedikts XVI für die deutsche Ausgabe des jüngsten Buches von Kardinal Robert Sarahs hat einenaufruhr verursacht, der auf gewisse Weise an das Klima während seines Pontifikates erinnert.

Im Vorwort lobt Benedikt die Wahl von Papst Franziskus, Kardinal Sarah zum Präfekten der Liturgiekongregation zu ernennen. Dieser Satz allein entzündete eine völlig grundlose Kontroverse.
Benedikts Worte wurden als politisches Statement gegen Papst Franziskus gelesen.
Tatsächlich wird Kardinal Sarah von vielen als in der von ihm geleiteten Kongregtaion isoliert angesehen, angesichts dessen, daß die Zusammensetzung der Kongregation vor kurzem erneuert wurde und die neuen Mitglieder werden als "der anderen Seite angehörend" angesehen.

Diese Art Benedikts Worte zu interpretieren ist ein Zeichen der Zeit. Keine Geste wird in gutem Glauben interpretiert und alles wird nur durch eine ideologische und politische Linse gelesen. Die Tatsachen sollten jedoch für sich selbst stehen. Nur dann können die Dinge mit Klarheit bedacht werden.
Mit der Beschäftigung mit Tatsachen meine ich Benedikts Vorwort ohne ideologisches Vorurteil zu lesen.
Der Papa emeritus schreibt einen sehr persönlichen Text, der auf Überlegungen aus seiner Jugend basiert. Er einnert uns daran, daß Jesus die Nächte allein "auf dem Berg verbrachte, um zu beten" und daß "seine Rede, sein Wort aus seinem Schweigen resultiert, weil sie nur dort erblühen konnten".

Benedikt gibt zu, daß es "um Jesu Worte zu interpretieren, historische Kompetenz, das Verstehen seiner Zeit und das Kennen der Sprache jener Zeit erfordert,"
Er fügt jedoch hinzu, daß diese Kompetenz "ausreicht, die Botschaft des Herrn in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen."
Und am Ende stellt er fest,daß die Kommentare, "die immer länger werden", einen oft enttäuschen, weil am Ende das Gefühl bleibt, daß in dieser Überfülle an Worten etwas Wesentliches fehlt."

Diese Rationale ist an der Basis des gesamten theologischen Überlegungen Joseph Ratzingers/ Benedikts XVI. Seine "Jesus von Nazareth"-Trilogie, die darauf beruht, wie Jesus in den Evangelien überliefert wird, ist nicht zufällig seine letzte akademische Arbeit.
Darüber hinaus hat Benedikt eine seiner Botschaften zum Welttag für Soziale Kommunikation der Stille gewidmet.  klicken
Schließlich hat Benedikt den lauten Weltjugendtagen auch den Rhythmus des Schweigens auferlegt, indem er Perioden eucharistischer Anbetung am Ende der Vigil ansetzte, die mit einem stillen Segen endeten: der Papst verschwand. Jesus trat ein.

Benedikts Überlegung-mit seinem Lob für Kardinal Sarah- muß in diesem Kontext gesehen werden. Er preist den Kardinal, weil seine Spiritualität der Liturgie einen Wert hinzufügen kann. Die Liturgie ist auch eines der Kernthemen, die Benedikts Herz nahestehen.





Am Ende war da nichts Politisches, nichts Ideologisches. Aber die Debatte um das Vorwort ist ein Zeichen der Zeit und es sagt uns etwas über die jüngste Geschichte der Kirche.

Die vorgebrachten Argumente scheinen zur Periode nach dem Zweiten Vaticanischen Konzil anzugehören, als die theologischen Debatten mehr durch politische als durch spirituelle Kategorien bestimmt wurden.
Am Ende -leben wir, trotz des von Papst Franziskus unterstützten starken missionarischen Impulses-in einer immer säkularisierteren Kirche. Oder wir erleben- bis zu einem gewissen Grad- eine Kirche, deren missionarischen Stärke durch die Brille der Säkularisation betrachtet wird.
Dass dieses eine der aktuellen Diskussionen ist, kann man an vielen Details feststellen. Hier einige Beipiele:

Am vergangenen Sonntag hat Papst Franziskus ein Konsistorium zur Kreiierung von fünf neuen Kardinälen angekündigt.
Es sind: Louis Marie Ling Mangkhanekhoun, Apostolischer Vikar von Paské, Laos; Gregorio Rosa Chavez, Weihbischof von San Salvador, in El Salvador; Anders Aborelius, Bischof von Stockholm; Jean Zerbo, Erzbischof von Bamako, Mali; Juan José Omella, Erzbischof von Barcelona.

Die fünf neuen Bischöfe kommen also aus Laos, San Salvador, Schweden. Mali und Spanien. Mit Ausnahme Spaniens hatte keines dieser Länder bisher einen Kardinal.

Reicht eine geopolitische Lesart aus, um dieses neue Konsitorium zu interpretieren? Sicher könnte sie auf gewissen Weise Sinn machen. Laos ist eines der sehr wenigen Länder, die keine diplomatischen Beziehungen zum Hl. Stuhl haben, auch wenn es Zeichen für ein Tauwetter gibt. Ein "residierender" Kardinal ist am Ende eine Art den Dialog auf die höchste Ebene zu heben. Der rote Kardinalshut für Mali belohnt ein von Islamischem Radikalismus geschlagenes Land und einen Bischof an der Frontlinie der Versöhnungsarbeit.

Schweden ist das Land, wo die Protestantische Reformation gewaltreicher war als sonstwo: es ist erst einige Jahre her, seit Katholik sein nicht mehr mit dem Verlust der Bürgerrechte gleich ist.

El Salvador ist due Heimat von Erzbischof Oscar Romero. Erzbischof Romero ist vor kurzem selig gesprochen worden und der neue Kardinal stand ihm sehr nahe. Der neue Kardinal von Barcelona ist Papst Franziskus wohlbekannt, auch wenn die Spanische Bischofskonferenz ihn nicht in ihre höchsten Ränge wählte.
Das ist nur eine Lesart. Es isr auch wahr, daß Papst Franziskus nicht nur auf diese Themen schauen kann. Er will Hirten mit dem Geruch der Schafe, nach einer Vision die er bei der Kreierung neuer Kardinäle verfolgt- und nach diesem Konsistorium wird es 49 von Franziskus kreierte Kardinäle geben.

Aber auch die auf Papst Franziskus´ Ernennungen angewandten Vorstellungen von "existentieller Peripherie" oder einer "Wegwerfkultur" sind eher soziologische als spirituelle Wahrnehmungen.

Die Profile der neuen Bischöfe sind die wahre Reform von Papst Franziskus, weil er sich nicht wirklich für die Neuorgqnisation der Kurie zu interessieren scheint.
Aber wie wird dieses Profil geformt?  Wás ist wirklich Papst Franziskus´ Kirche?

Letzte Woche hat sich die Italienische Bischofskonferenz versammelt und-nach 10 Jahren Amtszeit von Kardinal Bagnasco- ihren neuen Vorsitzenden gewählt, Papst Franziskus hat die Bischöfe gebeten, den Nachfolger Bagnascos selbst zu wählen. Aber die Bischöfe haben es statt dessen vorgezogen, ihre Statuten zu ordnen, um eine Liste von drei Kandidaten zu wählen, die dem Papst präsentiert wird. Der Papst könnte so unter diesen drei den neuen Vorsitzenden aussuchen, aber er könnte auch eine Ernennung außerhalb dieser Liste bestimmen.

Alle wußten, daß Papst Franziskus Blick auf Kardinal Gualtiero Bassetti, den Erzbischof von Perugia, fixiert, der den roten Kardinalshut ganz zu Beginn des Pontifikates vonb Papst Franziskus bekam
Das ist der Grund, aus dem die Mehrheit der Italienischen Bischöfe für ihn stimmten, und so die Ernennung für den Papst leicht machten.
Welches immer die Gründe des Papstes für die Wahl waren, es wurde auch ein politisch-ideologischer Grund vorgebracht. Kardinal Bassetti wurde in den Reihen der Diskontinuität verortet.
Besonders von der säkularen Presse wird die Position Kardinal Bagnascos als nur wenig dem Dialog zugeneigt betrachtet, sondern statt dessen auf nicht-verhandelbaren Werten beruhend- seien es die mit dem menschlichen Leben befaßten oder mit sozialen Werten.

Die Fragen die während der Pressekonferenz Kardinal Bassettis als Vorsitzener gestellt wurden, handelten von der Position des Bischofs zu einem möglichen dritten Familientag in Rom. der für den Oktober geplant ist, die Meinung des Bischofs zu nicht-verhandelbaren Werten; und Euthanasie, weil es zur Zeit einen Gesetzesentwurf dazu im Italienischen Parlement gibt.

Sogar Amoris Laetitia war Objekt einer der Fragen während der Pressekonferenz , weil die Journalisten die Meinung des Bischofs unter dem neuen Vorsitzenden erfahren wollten.

Der neue Präsident der Italienischen Bischofskonferenz hat nicht direkt geantwortet. Er hat weder seine Position noch die der Kirche klargestellt. Er hat über pastorale Entscheidungen, Wahl des Herzens, Spiritulität gesprochen. Was Amoris Laetitia angeht, schloß er die Diskussion. indem er sagte, daß dieses Dokument ein Meisterwerk ist und das Lehramt des Papstes. Wie dieses Lehramt angewendet werden sollte, wurde nicht erklärt.

Solche vagen Antworten genügen, um Licht auf eine Kirche zu werfen, die angeblich mit der Welt dialogisiert- Gegenteil zu  der zuvor bechriebenen Kirche, die im Gegensatz zur Welt steht. Am Ende ist wahr, daß Hirten und Lehrer zensiert oder angegriffen werden, wenn sie klar sprechen. Wenn sie das nicht tun, bekommen sie Hosiannas. Das ist ein sehr ernstes Problem.

Es ist wichtig, daran zu erinnern, daß die Kirche nicht erst seit gestern barmherzig ist, z.B. Migrationsthemen sind heute sehr modern, besondes seit der Papst sie an die Spitze seiner Agenda gesetzt und sich entschlossen hat, das Migrations-Departement des neuen Dikasteriums für Integrale Humane Entwicklung persönlich zu leiten. 
Allerdings wurde der erste Welttag für Migranten 1915 gefeiert. Das heißt. daß die Kirche sich schon sehr lange auf dieses Thema konzentriert.

Es gibt andere Beispiele. Am Ende scheint es in diesem Pontifikat eine Art Bedürfnis zu geben, einen Bruch festzustellen und die Konten einer unkomfortablen Vergangenheit zu schließen. Aber wie man diese Vergangenheit als unkomfortabel betrachten kann, ist schwierig zu  begründen.
Tatsache ist, daß wir zu einer Diskussion zurück gekehrt sind, die viele Begriffe der säkularisierten Welt beinhaltet, während spirituelle Themen weggelassen werden.

Deshalb  wird die Kreierung von Kardinälen mit Worten in der Diktion einer größeren globalen Repräsentanz im Kardinalskollegium diskutiert, während kaum daran erinnert wird, daß das Kollegium zu allererst eine kollegiale Art zu regieren ist. Dieses Detail  wird in den Diskussionen vergessen, in denen die Kollegialität betont wird, während zur gleichen Zeiut akzeptiert wird, daß obwohl jede Entscheidung von oben herab nach unten getroffen wird, diese Entscheidungen durch eine klare und saubere Wahl der Zusammensetzung der Mitarbeiter der Dikasterien verändert werden kann. 
Wenn eine größere Rolle für die Laien innerhalb der Römischen Kurie angestrebt wird, vergißt man die Geschichte. Tatsächlich waren Laien  sogar Teil- und ein bedeutender Teil- der Päpstlichen Familie.
Betrachtet man päpstliche Zeremonien als überholt, erinnert sich keiner daran, daß diese Zeremonien erdacht wurden, um zu unterstreichen, daß da nicht einfach Menschen kommen, um einen Menschen, einen globalen Führer, eine moralische Instanz, sondern einen Papst, den Vikar Christi auf Erden.

Mit der Zeit hat die Kirche viel vom Reichtum ihrer eigenen Sprache verloren ujnd von Kirchenmännern getroffene Entscheidungen werden von diesem Mangel an einem spirituellen ja sogar katholischen Vokabular beinflußt. Das ist eine essentielles Thema, das in zukunft angepackt werden muß. In der Zwischenzeit zielt die Kurienreform lediglich darauf ab. größere Funktionalität zu erreichen, während das Zustandekommen eines Inhalts beiseite geschoben worden zu sein scheint.

Dann wird erwartet, daß der neue Sekretär des Dikasteriums für die Integrale Humane Entwicklung bald ernannt wird. Es sollte ein Französischer Priester aus der Diözese Lon sdein, dessen Ernennung sich helfen würde, dem Dikasterium Tiefe zu verleihen, das früher als kultureller Außenposten der Päpstlichen Diplomatie angesehen wurde.

Die Ernennung aber weicht auch von dieser neuen funktionalistischen Perspektive ab-wie die Tatsache beweist, daß sie nach einer Serie von Job-Interviews entschieden wurde, die in Übereinstimmung mit einem für das neue Dikasterium erstellte Ideal-Profil druchgeführt wurden.

Angesichts dieser Details drängt sich der starke Verdacht auf, daß im Vatican eine unternehmensartige Mentalität- oder um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen- eine barmherzige NGO-Mentalität-die Führung übernommen hat. Dieser Verdacht wird stärker während die Themen der Kurienreform weiterhin diskutiert werden und während gleichzeitig Papst Franzsikus´ öffentliche Reden in eine andere Richtung zu gehen scheinen.

Wenn die Mentalität wirklich so ist, ist es nur natürlich, daß sogar Situationen wie das Vorwort Benedikts XVI zu Kardinal Sarahs Buch mit politischen Bedeutungen befrachtet sind. Sie bilden das Narrativ. Es wäre interessant, zu schauen, wie sehr dieses Narrativ, diese geopolitische Idee mit denen von Papst Franziskus übereinstimmt.

Der Papst trifft oft überraschende Entscheidungen. Aber sogar bei der Suche nach Überraschungen fällt eine Art Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Sekularen auf, als sei es nötig, die säkulare Sprache zu benutzen, um der Welt näher zu kommen- als ob der Kirche etwas verziehen werden müßte oder als ob sie etwas tun müsse, um akzeptiert zu werden.

In diesem Kontext hat die Hoffnung Benedikts XVI auf eine Liturgie, die auf dem Hören und einer Theologie basiert, die aus der Stille geboren ist, jetzt mehr Resonanz als je zuvor. Kardinal Bagnascos Aufschrei, daß wir der Schaffung einer Welt ohne Gott beiwohnen, hat überall sein Echo.

Und Kardinal Sarah klagt seinerseits. Wie er bei der Präsentation der deutschen Ausgabe seines Buches sagte:" Manchmal habe ich den Eindruck, daß die Säkularisation in die Kirche eingedrungen ist und präzise daraus besteht, den Glauben auf ein menschlisches Maß zu reduzieren."

Am Ende " anstatt den Menschen für Gottes Tun zu öffnen, das unerwartet, störend, befreiend ist, denkt man heute, daß der Mensch besser glauben kann, wenn wir einen Glauben anbieten, der nicht auf der Offenbarung Christi und der Tradition der Kirche basiert, sondern auf dem Bedürnis des Menschen, seiner Möglichkeiten und seiner Mentalität."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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