Sonntag, 31. Dezember 2017

Benedetto an Kardinal Müller

Die katholischen Medien berichten mehr oder weniger ausführlich über das Grußwort, das der Papa emeritus Benedikt XVI anläßlich des 70. Geburtstages von Kardinal Gerhard L. Müller, einem Jubiläumsband als Vorwort vorangestellt hat. Von La Nuova Bussola Quotidiana bis zu KNA.
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"LIEBER MÜLLER , ES IST EIN FEHLER, DICH ZU ENTLASSEN. 
UNTERSCHRIFT BENEDIKT XVI"
So überschreibt der Leitartikler von La Nuova Bussola seinen Beitrag. Bisher ist es uns nicht gelungen, den vollständigen deutschen Originaltext zu finden, daher eine eigene Übersetzung (mit der Bitte um Nachsicht)

Eminenz, lieber Mitbruder,
"Dein 70. Geburtstag nähert sich und wenn ich auch nicht mehr in der Lage bin, einen richtig wissenschaftlichen Beitrag zum Sammelband zu schreiben, der Dir zu dieser Gelegenheit gewidmet wird, möchte ich doch mit einem Gruß-und Dankwort daran teilnehmen.

Es sind fast 22 Jahre vergangen, seit Du mir im März 1995 Deine "Katholische Dogmatik für Studium und Praxis der Theologie" geschenkt hast.
Das war für mich damals ein ermutigendes Zeichen, daß es auch in der postkonziliaren Generation Denker gibt, die den Mut haben, sich im Inneren damit zu befassen, und so den Glauben der Kirche in seiner Einheit und Gesamtheit zu präsentieren.

Genau so wichtig wie die Untersuchung der Details ist, ist es nicht weniger wichtig, daß der Glaube der Kirche in seiner ganzen Einheit und Integrität erscheint und daß die Einfachheit des Glaubens aus allen komplexen theologischen Überlegungen hervortritt.
Weil das Gefühl, daß die Kirche uns eine Last unverständlicher Dinge auflädt, die am Ende nur die Spezialisten interessieren können, das Haupthindernis für die Verkündung des Ja zu Gott ist, der in Jesus Christus zu uns spricht.

Meiner Meinung nach wird man nicht deshalb ein großer Theologe, weil man kleinste und schwierige Details abhandeln kann, sondern weil man die letzte Einheit und Einfachheit des Glaubens darstellen kann.



Aber Deine Dogmatik in einem Band hat mich auch aus einem autobiographischen Grund interessiert. Karl Rahner hatte im ersten Band seiner Schriften ein Projekt zur Neukonstruktion der Dogmatik vorgelegt, das er mit Hans Urs von Balthasar ausgearbeitet hatte.
Das hat in uns allen natürlich einen unglaublichen Durst hervorgerufen, dieses Schema mit Inhalt gefüllt und zu Ende gebracht zu sehen. Der Wunsch nach einer von Rahner-Balthasar unterzeichneten Dogmatik, die bei dieser Gelegenheit entstehen sollte, stieß aber auf ein redaktionelles Problem.

In den 1950-er Jahren hatte Erich Wewel Pater Bernard Häring überredet, ein Handbuch der Moraltheologie zu schreiben, das nach seiner Veröffentlichung ein großer Erfolg wurde.
Dann hatte der Herausgeber die Idee, daß es auch für die Dogmatik etwas Ähnliches geben sollte und daß es nötig sei, diese Arbeit in einem einigen Band aus einer Hand zu schreiben.

Er hat sich offensichtlich an Karl Rahner gewandt und ihn gebeten, dieses Buch zu schreiben.
Aber Rahner hatte sich inzwischen so vielen Aufgaben zugewandt, daß man nicht erwarten konnte, daß er ein so großes Unterfangen vollenden könne. Seltsamerweise riet er dem Herausgeber, sich an mich zu wenden- der ich am Anfang meines Weges in Freising Dogmatische und-Fundamentaltheologie unterrichtete.

Auch wenn ich am Anfang war, war auch ich mit zahlreichen Aufgaben beschäftigt und ich fühlte mich nicht in der Lage, eine so beeindruckende Arbeit in akzeptabler Zeit zu schreiben,
Ich habe dann darum gebeten, einen Mitarbeiter zu beteiligen, meinen Freund Pater Alois Grillmeier.
Im möglichen Ausmaß habe ich an diesem Projekt gearbeitet und habe mich mehrmals zu vertiefender Beratung mit Pater Grillmeier getroffen.

Dann jedoch erforderte das II.Vaticanische Konzil meine ganze Kraft, das von mir verlangte, auf neue Weise über jede traditionelle Darstellung der Glaubenslehre der Kirche nachzudenken.
Als ich 1977 zum Erzbischof von München und Freising ernannt wurde, war es klar, daß ich nicht mehr an ein solches Unterfangen denken konnte.
Als 1995 Dein Buch in meine Hände gelangte, habe ich auf unerwartete Weise gesehen, daß ein Theologe aus der Generation nach mir, das realisiert hatte, was ich mir zuvor gewünscht hatte, aber nicht vollenden konnte.

In der Folge konnte ich Dich persönlich kennenlernen, als die Deutsche Bischofskonferenz Dich als Mitglied der Internationalen Theologen-Kommission vorschlug. Dort hast Du Dich vor allem durch Dein reiches Wissen und Deine Treue zum Glauben der Kirche, die von Dir ausging, ausgezeichnet.
Als Kardinal Levada 2012 seinen Posten als Präfekt der Glaubenskongregation aus Altersgründen verließ. erschienst Du - nach verschiedenen Überlegungen - als der Bischof, der am geeignetsten war, diese Aufgabe zu empfangen.


Als ich diese Aufgabe 1981 übernahm, erklärte mir Erzbischof Hamer - damals Sekretär der Glaubenskongregation - daß der Präfekt nicht notwendigerweise Theologe sein mußte, sondern ein Weiser, der bei theologischen Fragen weiß, was er in dieser Zeit für die Kirche tun muß.
Die theologische Kompetenz sollte eher beim Sekretär liegen, der die Consulta leitete, also die Treffen der Experten, die gemeinsam ein präzises wissenschaftliches Urteil abgeben.
Aber wie in der Politik liegt die Entscheidung nicht bei den Theologen, sondern bei den Weisen, die die wissenschaftlichen Aspekte kennen und - mehr als diese das Ganze im Leben einer großen Gemeinschaft bedenken können. Während meiner Amtszeit habe ich versucht, diesem Kriterium zu entsprechen. Bis zu welchem Grad mir das gelungen ist, müssen andere beurteilen.

In den wirren Zeiten, in denen wir leben, ist es die Gesamtheit der theologischen und wissenschaftlichen Kompetenz und der Weisheit, die die endgültigen Entscheidungen treffen muß, das scheint mir sehr wichtig. Ich denke z.B. daß die Dinge bei der Liturgiereform anders ausgegangen wären, wenn das Expertenwort nicht die letzte Instanz gewesen wäre, sondern wenn außerdem eine Weisheit, die die Grenzen des Zugangs eines "einfachen" Spezialisten erkennen kann, geurteilt hätte.
Während deiner Römischen Jahre, hast Du Dich immer bemüht, nicht nur als Spezialist zu handeln sondern auch als Weiser, als Vater in der Kirche. Du hast die klaren Traditionen des Glaubens verteidigt, und hast aber versucht, - nach der Linie von Papst Franziskus - zu verstehen, wie sie heute gelebt werden können.

Papst Paul VI wollte, daß die großen Aufgaben in der Kurie - die eines Präfekten und eines Sekretärs - nur für 5 Jahre vergeben werden sollten, um so die Freiheit des Papstes und die Flexibilität der Arbeit der Kurie zu bewahren. Inzwischen ist Dein 5-jähriger Vertrag für die Glaubenskongregation zuende gegangen.

Deswegen hast Du keine spezifische Aufgabe mehr, aber ein Priester und vor allem ein Bischof und ein Kardinal geht niemals in den Ruhestand.
Aus diesem Grund kannst Du und wirst Du auch in Zukunft dem Glauben öffentlich dienen können, beginnend mit der inneren Essenz Deiner priesterlichen Mission und Deines theologischen Charismas.
Wir alle sind glücklich, daß Du mit Deiner großen und tiefen Verantwortung und der Dir eigenen Gabe des Wortes auch in Zukunft gegenwäretig sein wirst, im Kampf unserer Zeit um das richtige Verständnis der conditio humana und des Christen. Daß der Herr Dich unterstütze! 

Schließlich möchte ich Dir auch ganz persönlich danken. Als Bischof von Regensburg hast Du das Benedikt XVI-Institut gegründet, das - von einem Deiner Schüler geleitet- eine wirklich lobenswerte Arbeit tut, um meine theologische Arbeit in allen ihren Dimensionen öffentlich präsent zu halten.
Daß der Herr Dir Deine Bemühungen lohne."

Vatican Stadt
Kloster Mater Ecclesiae
31. Juli 2017
am Fest des Hl. Ignatius von Loyola

Dein Benedikt

Quelle: La Nuova Bussola Quotidiana, KNA, 


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